[Hirschberg] Villa Goldstein

  • In einer schönen Jugendstilvilla am Stadtrand von Hirschberg lebt und arbeitet der jüdische Textil- und Kleiderfabrikant Nathan Goldstein. Unter den Textil- und Kleiderfabrikanten ist er in Korland einer der Großen.

  • Das Gespräch wurde durch Goldsteins Sekretärin mit "der Kanzler, sind Sie zu sprechen" durchgestellt. Natürlich war Nathan Goldstein für den Kanzler zu sprechen, er hoffte auf Verbesserung, auch wenn er sich keine großen Hoffnungen mehr machte, aber was blieb ihm auch anderes übrig. Den Kanzler abzuweisen, daran war überhaupt nicht zu denken, auch wenn Schündler für einen latenten Antisemiten hielt. Schon Schündlers Vater liebte von "der Hochfinanz" oder der "Geldmacht" zu sprechen oder vom "schaffenden" und "raffenden" Kapital und was damit eigentlich gemeint war, da war er sich ziemlich sicher. Den Vorschlag Gogartens, einen Sitz für die Juden in der Kammer zu schaffen, hatte er seinerzeit auch abgelehnt, wie man so hörte - zwar aus Gründen der Zahl, aber Proportionalität war auch anderswo nicht gewahrt. Aber dafür daß die Juden enteignet würden oder gehen müßten, würde ihn der Kanzler wohl kaum persönlich anrufen. Vielleicht hatte er sich ja getäuscht.


    Ja, bitte, Herr Kanzler, Goldstein am Apparat. Was kann ich für Sie tun?

  • Mein lieber Goldstein, Sie werden sich vielleicht wundern, nach Ihrem Ausflug in den unabhängigen Unternehmerverband... Aber ich meine, bei der Politik des Berufssaboteuers und Erzgauners Scheuersmann, wer will Ihnen das verübeln... Noch wenig länger und die halbe korische Industrie wäre ja ruiniert gewesen... Ganz richtig war das in dieser Situation, aber jetzt haben wir halt wieder eine andere Situation, die Korporationen funktionieren wieder, kein Agent Nordhanars sabotiert unsere Wirstchaft planmäßig.


    Also ich will es kurz machen, die anderen Regierungsmitglieder, der Herr Präsident und ich sind der Meinung, daß Sie der richtige Mann wären für den Posten des Finanzministers. Wir wissen natürlich auch, daß das bei einer gutgehenden Fabrik wie der Ihren eher eine Belastung ist.


    Aber das ist ja gerade der wahre Patriotismus und auch gerade deswegen, sind Sie ja der richtige Mann, Sie sind schon reich und ich erinnere mich noch gut an die beeindruckende Rede des Herrn Oberrabbiners vor einigen Wochen, mit der er vollkommen Recht hatte, daß es nun an der Zeit wäre, daß die korischen Juden auch mal mit Verantwortung im Staat bedacht werden müßten. Also jedenfalls ist die Zeit nun gekommen und ich meine, wo könnte man Korland bei den gewiß vorhandenen Kontakten in alle Welt denn besser dienen in dieser Zeit der angespannten Finanzlagen als im Finanzministerium. Also wenn Sie da jetzt Nien sagen, da hätte doch kein Mensch für Verständnis! Zumal das ja auch Ihre Geschäfte nicht fördern wird, wenn die Finanzen und die Geldpolitik der Nationalbank nicht stimmen, ein ausgewiesener Fachmann und gewiß auch patriotisch denkender Mensch wie Sie kann da doch auch nicht mehr mit zusehen, wie sich die Dinge entwickeln. Wir brauchen jetzt die nationale einheit und keine Spaltung, damit der Rrrramwuv [Währung Andros] wieder rrrrollt.

  • [think]

    Der Oberrabbiner sollte das gesagt, haben, eigentlich mischte der sich doch nie in die Politik ein und wenn dann lobte er meist die VF und stellte keine Forderungen. Das wird doch dieser Schündler sich nicht aus den Fingern gesogen haben?[/think]


    Ja, also, das ist natürlich eine Ehre für mich, daß Sie da an mich denken und damit der erste Jude in Korland unter Ihnen Minister würde, jedenfalls seit 1938. Aber ich weiß gar nicht, ob ich da der richtige Mann bin, ich bin doch Fabrikant wie Sie, wären Sie in der Frage nicht besser mit einem Bankier bedient, ob nun mosaischen oder christlichen Glaubens!?


    Ich habe durch meine Exporttätigkeiten aber freilich auch Kontakte, auch zu Banken im Ausland, es müssen ja Transporte zuweilen in fremder Währung finanziert oder Versicherungen abgeschlossen werden. Aber das kennen Sie ja, Sie haben ja auch sicher in gewissem Umfang Exporte. Sicher, wir exportieren überdurchschnittlich viel und ich würde gerne noch mehr exportieren, auch um unserem Land Devisen zu verschaffen, aber es sind halt die Erfahrungen des Kunden der "Finanzindustrie", wie man drüben in den Staaten sagt. Und was Sie ganz gewiß wissen, bin ich eher liberal eingestellt, in wirtschaftlichen Fragen. Ein großes Exporthindernis für uns ist, daß wir selbst so wenig hereinlassen und es oft schwer ist, Länder zu finden, die bieten, was wir suchen, aber umgekehrt nehmen, was wir bieten. Im Weltmaßstab ist es einfacher, eine Außenhandelsbilanz ausgewogen zu halten. Zumal Sie solche Verträge mit Marktwirtschaften nur beschränkt abschließen können. Wir brauchen hier in meinen Augen jedenfalls Flexibilisierungen und mehr Handelsabkommen.


    Von dieser Seeblockede will ich gar nicht erst anfangen, jeder hat Angst, daß er sein Geld verliert, wenn er mit uns handelt und ich muß alles vorfinanzieren, weil keine Anzahlungen mehr geleistet werden, auch Lohnveredlung oder Geschäfte mit Eigentumsvorbehalt - wenn ich ausländische Vorprodukte bearbeiten muß - werden fast nicht mehr durchgeführt. Neulich wollte ein alter Kunde - ich dachte ein guter Kunde - der uns zuweilen eigene Garne liefert, die wir dann weiterverarbeiten und zu Kleidern ausarbeiten - das Garn nur noch gegen Sicherheitsleistung in Form von Bargeld zur Verfügung stellen, ich mußte eine zum Glück kurz nach der Öffnung erworbene Immobilie, in der wir unsere Niederlassung eingerichtet haben, im Ausland beleihen.


    Dieser damals nicht geschlossene Handelsvertrag mit Altenstein, den würde ich als Allererstes umsetzen wollen, wenn ich das verantworte. Ich sage nicht nein, bitte aber um etwas Bedenkzeit, vielleicht 1-2 Tage.

  • Das sehe ich ja alles auch wertester Goldstein, was Sie da an Problemen schildern. Also wenn ich schon einen Juden zum Minister mache, dann doch lieber einen, der etwas Reales schafft, wenn ich einen Bankier nehme, dann proben die vom Nationalpolitischen den Aufstand, aber daß Sie ein gemäßigter Liberaler sind, nun ja das weiß ich natürlich und Sie sollen ja auch Devisen an den Märkten verdienen.


    Und genau diesen Außenhalndelsvertrag sollen Sie ja versuchen, mit Atenstein auszuhandeln bzw. braucht er ja eigentlich bloß angenommen zu werden, er ist ja fertig und wenn Sie mit den Kommunisten etwas Brauchbares abschließen können, ist es mir auch recht.


    Freihandel - nein, nicht ins einer Reinform, aber da gibt es auch Lockerungsmöglichkeiten, wir müssen raus aus der Umklammerung.


    Überlegen Sie, aber lassen Sie sich bitte nicht zu lange Zeit.


    Auf Wiederhören!

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