Stromversorgung am Weihnachtsfest 2020

  • Am 24. Dezember ist die Stromversorgung schon den ganzen Tag angespannt, zwar produzieren die allermeisten Industriebetriebe nicht, aber angesichts des Weihanachtsfestes wird in den Privathaushalten mit elektrischer Energie verschwenderisch umgegangen, die sonst übliche Disziplin mit dem teuren Strom besteht nicht, mehrflammige Leuchter werden komplett eingeschaltet, Licht angelassen, das sonst ausgeschaltet würde, es brennen Christbaumbeleuchtungen, die Leute saugen das Haus, manche nehmen ein Bad in elektrisch erheiztem Badewasser, aber vor allem die vielen Gänse in den Bratröhren, die vielfach aus Nordhanar importiert wurden, treiben die Last an den Kraftwerken in schwindelerregende Höhen. Spannung und Netzfrequenz beginnen mit dem Einsetzen des großen Kochens unaufhörlich zu sinken. Am Morgen hatte es genieselt, doch im Laufe des Tages schien die Temperatur immer mehr abzusinken und es setzt Frost und Schneefall ein. Es steht zu befürchten, daß kleinere Wasserläufe einfrieren werden.

  • Es kommt zum Einfrieren der kleineren Wasserläufe, wodurch einige Laufwasserkraftwerke den Betrieb einstellen müssen, denn Korland nutzt seine Fließwässer sehr intensiv für die Stromerzeugung, auch dort, wo sich die Wasserläufe nicht sonderlich dafür anbieten, aber jeder weiß eben, daß irgendwann die Kohle komplett verheizt sein wird, während diese Kraft unbegrenzt zur Verfügung steht. Mit den Weihnachtsbraten steigt vor allem in den städtischen Gebieten ohne Stadtgas und mit Zentralheizung der Energiebedarf drastisch an.


    Es kommt dadurch zu einem Absinken der Netzfrequenz, als erste Notmaßnahme wird das Netz eines Versuchskraftwerks im nördlichen Murmelland abgetrennt und in den Inselbetrieb gefahren, hier war ein hochmodernes Kraftwerk mit ausländischen Turbinen errichtet worden, um Erfahrungen zu sammeln, wie sich ein höherer Wirkungsgrad erzielen ließe - nicht zuletzt auch für den einst geplanten Energieverbund mit Alsztyna. Leider hatte diese moderne Konstruktion die Konsequenz zur Folge, daß dieses Kraftwerk nicht unbeschränkt unter den teils abenteuerlichen Bedingungen im korischen Stromnetz gefahren werden konnte, die auf Effizienz getrimmte Konstruktion von Turbine und Generator war gefährdet, bei starker Unterfrequenz durch Interferenz zerstört zu werden.


    Leider vergrößert diese Maßnahme noch die Energienot. In den Nachmittagsstunden ergeht Anweisung an die Krankenhäuser, die Notstromgeneratoren anzuwerfen und sich vom Netz zu trennen. Auf die Frage, ob der Staatsbergbau genug Diesel zur Verfügung stellen könne, wenn die Vorräte aufgebraucht sind, erntet man nur Schulterzucken und Beschwichtigungen der Sorte "wir schaffen das schon". Dies führt dazu, daß erste Krankenhausschefs und Chefärzte bei der Regierung gegen diese Maßnahme telephonisch protestieren und fragen, ob Weihnachtsgänse und rollende Züge denn wirklich wichtiger seien als Menschenleben, etwa Menschen die an eiserne Lungen angeschlossen sind oder die Frühchen in den Inkubatoren. Die schärfsten Proteste kommen von dort, wo die Notstromausrüstung überaltert oder unzureichend ist. Teils wird die Maßnahme aber örtlich nicht oder nicht voll befolgt und weiter der nötige Strom dem Netz entnommen.


    Durch den Regen am Morgen und den harten Frost friert auch mancherorts Braunkohle in den Waggons ein, an einigen Orten macht auch den Eisenbahnern Unterspannung zu schaffen und erfordert, die E-Los durch Dampflokomotiven zu ersetzen oder mit verringerter Geschwindigkeit zu fahren. Die teilweise weit über 100 Jahre alten Lokomotiven aus den Eisenbahnmuseen, die man dafür mitunter zugeteilt bekommt und für die niemand mehr richtig ausgebildet ist, treiben so manchem Lokführer und Heizer die Zornesröte ins Gesicht. Auch die teilweise abenteuerliche Nachrüstung der Druckluftbremsen von heute auf Morgen durch die Eisenbahnbetriebswerke und die nicht wirklich fachgerecht oder zuletzt vor Jahrzehnten geprüften Kessel führen zu einer großen Verärgerung. An einigen Orten donnern Lokführer gegen die Prellböcke oder fahren über die Bahnsteige hinaus, weil diese Lokomotiven selbst im rückständigen Korland in der Bremsleistung nicht mehr den gewohnten Anforderungen entsprechen.


    Als die Frequenz und Spannung gegenüber dem Nominal immer weiter absinkt - in Dreibürgen oder Nordhanar wären längst großflächige Netzabschaltungen erfolgt -, herrscht Krisenstimmung in der Zentrale der Korlandwerke - es kristallisieren sich zwei Fraktionen heraus, die eine will Lastabwurf und örtlich kalte Backöfen, die andere den Druck und Temperatur in den Turbinenkesseln über das erlaubte Maß hinaus erhöhen, um das Netz zu stabilisieren, auch wenn es fraglich ist, wie lange man bei der gegenwärtigen Witterung die benötigte Kohle heranschaffen kann. Derweil kommt es aber schon jetzt immer wieder zu kleineren Stromausfällen, weil Sicherungen durchbrennen. Langsam aber sicher ist auch das Pulver der Pumpspeicherkraftwerke verschossen, einem Zeitpunkt den man mit blanker Panik entgegensieht.


    Erste Stimmen mahnen aber auch an, über Rundfunk zum sparsamen Umgang mit Strom auffordern zu lassen, was aber vermutlich an diesem Tag politisch unerwünscht ist, denn entsprechend der christlichen Fundierung hat an diesem Tag alles zu funktionieren wie es soll.


  • Kurz wird der Plan diskutiert, die Bischöfe anzurufen, damit diese sich über die Pfarrer und in den übertragenen Gottesdienste entsprechend dafür einsetzen, mit Strom sparsam umzugehen, aber alle erinnern sich noch, was Schündlers Vater für ein Choleriker sein konnte und es ging hier ja nicht um christliche Ideale von Armut, sondern unter Beweis zu stellen, daß man die Lage schultern konnte. Auch Balzer würde gewiß nicht amüsiert sein, wenn man ihm offenbarte, was los ist und jeder kannte ja die Militärs aus eigener Erfahrung.


    Nach und nach gewinnt die Fraktion die Oberhand, die die Vorschriften über die Betriebsbedingungen der Kessel und Turbinen "großzügig" auslegen will, weil da ja Reserven drin seien, während die andere vehement den Standpunkt vertritt, daß man damit Kesselexplosionen und Totalausfälle besonders der ältesten Kraftwerke heraufbeschwöre.

  • In Engelswald weigern sich ein Lokomotivführer und dessen Heizer Kohle mit einer 1886 gebauten Dampflokomotive, deren letzte Kesseluntersuchung 1978 stattfand, durchzuführen mit den Worten "Für die Weihnachtsgänse sollen wir krepieren, wißt Ihr aus der Verwaltung eigentlich, was so ein Kohlenzug wiegt? Außerdem ist das Denkmalschändung, bringt die zurück ins Museum!" Auch in einigen Kraftwerken widersetzt man sich verhement der Forderung den Kesseldruck und die Temperatur über das erlaubte Maß zu erhöhen, in Glashütte stellen Arbeiter klar, daß das nicht passieren wird oder anderenfalls die Notventile geöffnet werden. Mancherorts kommt es auch entgegen den Anordnungen zu Lastabwurf, meist wird den Dörfern der Strom entzogen, weil man glaubt, daß da sowieso jeder über Holz- und Kohlenherde verfügt. An vielen anderen Orten wird den Forderungen aber bedingungslos gefolgt."

  • Am 24. Dezmber um 19:32 meldet das thermische Kraftwerk Aydtkuhnen (Kohle) nach der Erhöhung des Kesseldrucks Dampfaustritt im Kesselhaus, worauf von der Zentrale die Anweisung erteilt wird, den Kesseldruck wieder zu senken, bzw. den Betrieb im betroffenen Kessel herunterzufahren aber da ist es zu spät, um 19:41 kommt es zu einer Kesselexplosion, bei der 4 Arbeiter und ein Ingenieur im Kesselhaus getötet werden. Block 2 erleidet einen Totalschaden, Block 1 wird schwer beschädigt und kann vorerst auch nicht weiterarbeiten.


    Da die Gegend um Aydtkuhnen im Grenzland zu Masowien liegt, ist sie nur über eine Leitung an das Oberspannungsnetz angebunden und das viel zu schwach, um das Kraftwerk auszugleichen, der Strom muß komplett abgeschaltet werden, in gehörigem Umkreis des Städtchens Aydtkuhnen liegt alles im Dunkeln. Auch zieht der Blackout weitere Kreise, durch die Überlastung des Oberleitungsnetzes ist fast der ganze Regierungsbezirk nördlich von Allenberg eine Zeit lang ohne Strom, auch angrenzende Teile des Regierungsbezirks Insterberg. Als Ungunstfaktor kam hinzu, daß auch die Schaltzentrale etwas abbekam und die Beamten dort Verletzt eine weile paralysiert nichts unternahmen, bis sie dann mit panischen Stimmen zum Hörer griffen.


    Nur mit Mühe gelingt es ein noch weiteres Ausgreifen abzuwenden. Jetzt passiert, was schon die ganze Zeit hätte geschehen müssen, Lastabwurf, so daß auch Orte in anderen Bezirken abgeschaltet werden müssen. Besonders rigoros geht man dabei im Murmelland vor, wo man einen Schaden an den sündhaft teuren Importturbinen unbedingt vermeiden will.

  • Mittlerwiele wurden die Leitungen verstärkt, der beschädigte Block 1 wurde repariert und für Block 2 wurde ein Neubau geplant, der bereits beginnen konnte

    Dr.-Ing. Adolf Koletky

    Oberleutnant d.R.

    Minister für öffentliche Bereiche und staatliche Industrie

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