Beiträge von We Kung

    In ganz Korland gab es genau eine einzige chinopische Gaststätte und diese befand sich in Kaisersburg, sie wird von Familie Kung betrieben und war nach deutlich bescheideneren Anfängen immer prächtiger und authentischer ausgestattet worden, was die korischen Handwerker, die wenig davon verstanden, freilich vor nicht geringe Herausforderungen stellte und deren Betrieb manchen Kampf mit den Behörden um Importe bedeutete. Etwas Exotischeres mochte man sich in Korland wohl kaum vorstellen.


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    Der Eigentümer Kung We - oder Herr We Kung, wie man hin hier amtlich nannte - wurde in einer nationalchinopischen Hafenstadt unehelich geboren, vermutlich war seine Mutter eine Bardame oder noch etwas Geringeres. Doch außer ihr , sofern sie noch lebt, selbst weiß es wohl keiner, da der kleine Kung We, kurz nachdem er das Licht der Welt erblickte, vor dem Waisenhaus seiner Vaterstadt aufgefunden wurde, wo er dann auch aufwuchs. Man kann sich leicht vorstellen, daß eine solche Kindheit nicht die Glücklichste ist, ob nun hier in Korland oder in Chinopien oder sonst wo auf der Welt.


    Kung We fuhr daher zur See, denn dort ließ sich auch ohne Herkunft und Ausbildung vergleichseise gut verdienen, zunächst als Matrose, dann nahm ihn der Schiffskoch in die Lehre und so lernte er dieses Handwerk und er beherrschte es ganz vorzüglich. Bereits seit seiner Jugend nicht von der stärksten Konstitution – das rauhe Umfeld und das Fehlen von Verwandten hatte da sicher nicht begünstigend gewirkt – erkrankte er auf einer Fahrt so schwer, daß er in Korland – ausgerechnet im abgeschotteten Korland – von Bord gehen und sich in ein Krankenhaus einliefern lassen mußte. Man schrieb seinerzeit das Jahr 1981 und das Schiff auf dem Kung fuhr, transportierte Waren von Nationalchinopien nach dem Westen, wobei es auch in Korland anlegte. Seide, Haushaltswaren, Südfrüchte und anderes mögen damals geladen gewesen sein, vielleicht nahm man auch eher Ladung auf als man ablud. Wer will es nach nach all den Jahren noch so genau sagen, wen bekümmert es noch?


    Manche Demütigung in seiner Heimat führte dazu, daß seine Bindung an sein Vaterland nicht sehr eng war und Nationalchinopien war damals im Grunde noch sehr arm und der nationalchinopische Kapitalismus wie heute noch hart. Gewiß, die Automodelle hier in Korland sahen schon damals altmodischer aus als in seiner Heimat und die Leute kannten die zeitgeistige Mode kaum und wußten nicht viel von der Welt, es war ein wenig wie im Norden, in Hsinhai, aber eine schlechte Wahl schien Korland wirtschaftlich gegen Nationalchinopien damals noch nicht unbedingt, wo die Eliten viel, die Armen sehr wenig besaßen und es bot mehr soziale Sicherheit für den etwas schwächlichen Kung. Kung We hatte jedoch ein Mädchen zuhause, auch sie elternlos und im Waisenhaus aufgewachsen. Ihr Name lautete Sung Djiä und sie war Verkäuferin in dem kleinen Laden in der Hafenstraße, wo der Matrose Kung We einst seine erste Seemannsbekleidung gekauft hatte. Darauf, auf Berufskleidung, war der Laden spezialisiert, im Grunde führte er überhaupt nichts anderes.


    Zum mindesten deshalb wollte Kung We eigentlich wieder nachhause in seine Heimat, aber die Ärzte hatten ihm deutlich gesagt, daß eine Schiffs- oder Flugreise nicht zu verantworten, wenn nicht gar lebensgefährlich, wäre, gewiß auch keine lange Reise über Land. Ohnehin fehlte Kung We das Geld dazu. So blieb er - nachdem man ohnehin daheim seine kleine Wohnung geräumt und den darin befindlichen Hausrat sorglos auf die Straße geworfen hatte - erstmal eben hier, eine Gefahr schien er nicht, er konnte ohnehin kaum ein Wort deutsch. Die Sprache sollte er jedoch bald lernen und er fand eine Anstellung als Küchengehilfe; als er dann auch die korische Küche ganz leidlich beherrschte, arbeitete er sich schließlich rasch halb offiziell zum Koch hoch, gelernt hatte er es ja und irgendwann erkannte man ihm sogar nach einer Prüfung auch ohne Berufsschule sogar seine Lehre amtlich an. Wie er schließlich die Erlaubnis bekam, hier im abgeschotteten Korland ständig bleiben zu bleiben, das wußten vielleicht diejenigen, die ihm die Bescheinigungen ausshändigten, am allerwenigsten selbst, denn der Alte persönlich, der greise Degenberg, hatte es - altersmüde und wohlmöglich beeindruckt vom einem Übertritt zum Protestantismus - kurz vor seinem Tode noch höchstpersönlich bewilligt, ob der hochbetagte Diktator da noch ganz klar bei Verstand war, das wußte man wohl schon lange nicht mehr wirklich.


    Nach Jahren des eisernen Sparens und Ablegens der vorgeschriebenen Prüfungen, hatte er es mit viel Fleiß schließlich zu einem eigenen kleinen Restaurant und gar dem Meisterbrief gebracht. Dort, in seinem Restaurant, konnte er der Speisekultur seines Heimatlandes nach und nach immer größeren Raum geben. Freilich war es zunächst unendlich schwer bis unmöglich, an die eigentlichen Zutaten zu kommen und er mußte gerade anfangs viel improvisieren, aber mit der Zeit gab es durchaus Förderer aus den höheren Rängen der VF und der Stände, die wohl Gefallen an dem exotischen Angebot gefunden hatten und dafür sorgten, daß wenigstens das Nötigste an chinopischen Zutaten verfügbar war. Als seine Existenz eine genügende Festigung erfahren hatte, erlaubte man ihm sogar, seine Sung Djiä nachholen zu dürfen, die ihm über die Jahre und viele Briefe treu geblieben war und die er kurz nach deren Eintreffen ehelichte. Fortan arbeitete sie mit ihm im Restaurant, bald stellte sich auch noch später Nachwuchs ein.


    Nach einiger Zeit weiterer bescheidener Lebensführung und konfuzianischen Fleißes - auch wenn der Konfuzianer zwischenzeitlich längst ja mehr oder weniger freiwillig zum Protestantismus übergetreten war - und mit Hilfe der chinopischen Ersparnisse der Frau Kung, die daheim alles verkauft hatte, zog man um in größere Räumlichkeiten, die linker Hand eine Speisegaststätte und rechter Hand ein kleines Geschäft enthielten, in dem Frau Kung neben einem eher korischen Grundsortiment eini´ge ostrenziatische Waren feilbieten darf, wobei dieses Sortiment mit der Verbesserung der Beziehungen zu Nationalchinopien in den letzten Jahren eine gewisse Ausweitung erfahren hat.


    Angefangen von Jadefiguren über Seide bis hin zu Reis, Tee und Früchten wie der Li-tschi-Plaume in Dosen bietet der Laden so manches, was für den Freund Chinopiens eine willkommene Überraschung darstellt und wer gerne chinopisch ißt, wird das Lokal des Herrn Kung ganz gewiß kennen - es ist schließlich das einzige in ganz Korland. Seine Nachbarn pflegen von ihm meist nur als dem Chinopen zu sprechen, wenn sie über ihn reden und meist sprechen sie gut und voller Achtung. Ganz preiswert ißt man hier allerdings kaum und der Zugang zu Originalzutaten ist nach wie vor beschränkt, auch wenn man gerade Konserven ganz gut beziehen kann und vereinzelt auch Dinge nun hier in kleinen Mengen anbauen läßt, aber das nördliche Klima setzt dem enge Grenzen.