Beiträge von Wilhelmine Brzoska

    Aber nein, man fragt in diesem Falle einfach, ob man sich noch etwas nehmen darf oder ein anderer etwas möchte und alle die vor einem dran sind werden Ihnen dann antworten, ob sie noch ein Stück davon als Nachschlag beanspruchen und wenn nicht kann man es nehmen. Vielleicht wird auch einer danach dann einen Wunsch äußern und sie lassen ihm dann vielleicht etwas über.


    Aber wir waren ja nie arme Leute, wenn ich gekocht habe, habe ich immer darauf geachtet, daß für alle genug da ist. Aber bei kleinen Leuten in der Stadt kommt eben nur selten Fleisch auf den Tisch oder eine Süßspeise au den Tisch und da kann es schon sein, daß es nicht viel nachschlag gibt und dann ist een klar, wer ein Vorrecht hat. Ich meine, das ist ja im Grunde auch nicht mehr als Gerecht, wenn der Vater das Geld nachhause bringt, daß er zuerst den Nachschlag erhält, gerade wenn er hart körperlich arbeitet.Das heißt ja auch nicht, daß er alles beansprucht, was ihm zusteht und die Grundportion bekommen ja alle.


    Bei Ihnen gibt es solche Hierarchien nicht mehr!?

    Entschuldigung angenommen.


    lächelte


    Aber gerne, ist ja genug da und Sie sind ja unser Gast. Wir waren ohnehin noch nie so streng in dieser Frage, Sie sehen ja, Heide kommt gar nicht auf die Idee zu fragen. Wobei Sie ja eigentlich nach alter Schule meinen Mann fragen müßten, der hat als Ernährer im grunde als erstes Recht auf einen Nachschlag.

    Fühlt sich geschmeichelt


    Das freut mich, wenn es Ihnen bzw. Euch so gut schmeckt. Ich habe mir auch extra Mühe gegeben und die Zutaten besonders sorgfältig ausgewählt. Aber mit dem Tischgebet ist wirklich nicht zu spaßen...


    Dann gehören Sie wohl zu den Pardubizern?

    Furchtbar! Das ist eine Narretei von Deinem Vater, die er Dir eingeredet hat. Nur weil man mit der Kirche nicht einverstanden ist, muß man sich doch nicht von Gott abwenden! Du glaubst doch nicht im Ernst, daß die ganze Natur um uns herum einfach von selbst entstanden ist, wie hoch ist wohl die Wahrscheinlichkeit, daß das alles durch Zufall einfach so gekommen ist!? Außerdem kann jeder Tag der letzte sein, ein falscher Schritt und... Dann steht man vor dem lieben Gott wie ein begossener Pudel.


    wendete sich an Halina


    Und Sie, sind Sie auch ungläubig?

    Deswegen braucht man sie aber doch nicht unnötig aufzuziehen... Ich muß schon sagen, daß Du dich etwas ungezogen verhältst, das ist mehr Backfisch als junge Dame.


    sagte die Alte mit mildem Tadel


    Das Essen ist fertig, ihr bzw. Sie brauchen sich nur an den Tisch zu setzen und Appetit mitzubringen.


    lächelte


    Aber gehen wir doch herein.

    Das sind aber keine guten Manieren, muß ich schon sagen, Heide! Du rauchst eher zu viel und ißt dafür zu wenig, würde ich sagen!


    Nun ja, wie man es nimmt, die Ernährung ist in qualitativer Hinsicht immer noch nicht wieder das, was sie einmal war, Rindfleisch ist kaum zu haben, ohne Beziehungen, im Grunde alles Fleisch, das von langsam wachsenden Tieren stammt, auch Milch ist noch recht knapp... Aber hungern dürfte jetzt keiner mehr, der einer geregelten Arbeit nachgeht und das neu eingeführte Kindergeld hilft natürlich auch kinderreichen Familien...


    Das ist richtig, sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Frau Brzoska

    erwidert den Gruß

    Die Freude ist ganz meinerseits. Heidelinde hat von Ihnen erzählt, Sie studieren... Wie war das gleich noch mal, "soziale Arbeit"!? Ich kann damit - also den Begriff meine ich - offen gesagt wenig anfangen, ich glaube dieses Fach gibt es bei uns auch gar nicht. Geht das die paedagogische Richtung!? Sie müssen wissen, ich war Lehrerin, bevor ich meinen Mann kennenlernte. Aber bloß Volksschullehrerin.


    mit diesem letzten Satz wollte Sie zum Ausdruck bringen, nicht an einer Universität studiert zu haben

    eilte zur Tür hinaus


    Heide, ich freu' mich ja so, Dich wiederzusehen. Aber ich meine, Du bist etwas schmal geworden, Kind!?


    dann wandte sie sich an die beiden anderen


    Und Sie sind gewiß Fräulein Laaßen und Fräulein Svobodova!?


    reichte die Hand zur Begrüßung

    Nahm die Kartoffeln und den Schmandschinken vom Herd und richtete sie an; auch den kalt gestellten Gurkensalat stellte sie bereit, natürlich überprüfte sie auch die Kosistenz des Puddings und der Schlagsahne, die man hier freilich ebenfalls Schmand nannte, jeden Augenblick rechnete sie mit der Ankunft der Gäste auf die sie sich schon sehr freute, zum Mindesten doch Ihre Enkelin. So lange hatte sie sie nicht gesehen und wer weiß, vielleicht sah sie sie jetzt zum letzten Mal.